Hier wird relativ zeitig aufgestanden und gefrühstückt: Kaffee & Brötchen (wo bei man am Brot sofort feststellen kann, dass man nicht in Deutschland ist; hier werden zwar in den Panaderias ("Pan" = Brot) alle Arten von Brötchen verkauft - mit Käsefüllung, mit Marmelade, klein, groß, rund, dreieckig,.. - aber auf die Idee, so etwas wie Vollkornbrot zu backen, ist offensichtlich noch niemand gekommen ;) ) und mit dem Frühstück beginnt der Futter-Marathon!
Da meine Gastoma eine leidenschaftliche Köchin ist, beginnt sie quasi direkt nach dem Frühstück mit Kochen und so um ein Uhr gibt es dann Mittagessen:
Fleisch (oft),
Salat (manchmal; wenn auch "Salat" hier etwas anders definiert wird als in Deutschland; sehr selten sieht man wirkliche Salatblätter im Salat ;) )
und Reis (immer! wirklich immer!)
An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die ecuadorianische Küche wirklich unglaublich lecker ist und als kleine Besonderheit für den europäischen Gaumen wird hier zu jeder Mahlzeit ein (meist frischgepresster) Saft aus einer der zahlreichen Früchte gereicht. Ihr glaubt gar nicht, aus was man alles Saft machen kann! Von den auch in Deutschland bekannten Klassikern wie Orange, Mango oder Maracuja über Honigmelone und sogar Erdbeere (was dann irgendwie an flüssige Marmelade erinnert) wird hier wirklich alles zu Saft verarbeitet!
Nach dem Mittagessen ist dann immer ein wenig Zeit um noch etwas zusammenzusitzen, zu reden oder mit dem kleinen Nikolas (Enkel) zu spielen, der inzwischen von der Schule gekommen ist.
Dann - so gegen 16:00 Uhr - geht es auch schon weiter: Mit dem Kaffee. Da hier etwas später zu Abend gegessen wird, wird zur Überbrückung der langen Durststrecke zwischen Mittagessen und Abendessen noch eine kleine Zwischenmahlzeit eingeschoben (in der Fundación gibt es die auch), bis dann um sieben oder acht gemeinsam zu Abend gegessen wird.
Ihr seht also: Die Bailoterapia (von der Gemeinde initiierte, kostenlose Zumba-Stunden in beinahe sämtlichen Parks der Stadt), die Laura und ich inzwischen täglich besuchen, hat durchaus ihren Sinn, um nicht zu sagen: Notwendigkeit! ;)
Tatsächlich spielt Essen hier eine viel größere Rolle als in Deutschland. Nicht nur wird hier viel, gut und gerne gegessen, mit Mahlzeiten wird außerdem Gastfreundschaft ausgedrückt und während es für die Männer zwar den Marktwert steigert, ist es für die Mädchen hier beinahe obligatorisch, kochen zu können.
Spätzle "ecuadorianische Art" mit Reis und Fleisch |
Am Wochenende gibt es dann einen kleinen Programmwechsel, denn Sonntags wird nach dem gemeinsamen Kirchgang meist auswärts gegessen.
Kirche hier ist sehr interessant, denn da die Liturgie natürlich mehr oder weniger dieselbe ist, fallen die kleinen kulturellen Unterschiede noch mehr auf: Es beginnt beim Kreuzzeichen, das hier (je nach Gründlichkeit) schon mal eine ganze Minute in Anspruch nehmen kann und geht weiter bei der Inneneinrichtung der Kirche, die mit viel Verzierungen, Bildern und Lichterketten in den schrillsten Farben eine ganz andere Ausstrahlung besitzt. Auch im Gottesdienst macht sich die Mentalität der Ecuadorianer bemerkbar, denn einerseits wird zum Beispiel Pünktlichkeit eher als "nice-to-have" denn als Pflicht betrachtet (übrigens ist es auch kein Problem, einfach aufzustehen und wieder zu gehen, wenn man nach eigener Einschätzung "genug Segen" empfangen hat - und sei es mitten in der Predigt), andererseits werden aber zum Beispiel die zwischenmenschlichen Aspekte viel herzlicher ausgelebt als in Deutschland. So wird sich beim Friedensgruß zum Beispiel nicht einfach nur die Hand gegeben, sondern mit Umarmung und Wangenküsschen "paz" gewünscht, während die Kinder nach vorne zum Pfarrer rennen und sich segnen lassen.
Nur die Sache mit der Sprache macht sich hier ziemlich deutlich bemerkbar, denn obwohl ich bereits das Vaterunser auf Spanisch gelernt habe, bekomme ich hier eine recht eindrückliche Vorstellung davon, wie es dem gemeinen Volk damals ergangen sein muss, als die Gottesdienste noch in Latein gehalten wurden - ich verstehe nämlich kaum etwas. Die Gemeinde spricht sehr schnell und leise, die Wortwahl ist eher altertümlich und der Pfarrer nuschelt etwas unverständlich ins Mikrofon. Alles in Allem also eine super Gelegenheit, meine Hörverstehens-Fähigkeit zu üben!
Eine weitere Gelegenheit hierfür war das Familientreffen, das am Wochenende bei uns stattfand. Sämtliche Cousinen (ca. 20) der Oma waren eingeladen und am Ende saßen an die 15 ältere Damen in unserem Wohnzimmer, die sich sehr schnell und sehr spanisch über den neuesten Klatsch & Tratsch austauschten und hin mir hin und wieder eine Frage zuwarfen, weswegen ich versuchte, dem Gespräch so gut wie möglich zu folgen. Zunächst wurde sich gegenseitig auf den neuesten Stand gebracht ("und habt ihr schon gehört? Sie hat jetzt einen Engländer geheiratet!"), dann wurde kurz darüber geredet, dass eine der Cousinen wohl ein wenig zugelegt hatte (das Thema "Gewicht" ist hier lange nicht so heikel wie in Deutschland. Ganz offen werden Leute darauf angesprochen, offensichtlich zugenommen zu haben und der Spitzname "Gordita" ("Dickerchen") ist keinesfalls böse gemeint und wird auch nicht übel genommen).
Wenn dann allerdings das Gespräch auf Politik kommt (und das kommt es hier früher oder später immer), dann geht es selbst im Kreis der Familie richtig rund! Da sich Ecuador gerade in einer Phase starker Veränderungen befindet, die sich quasi durch alle Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten zieht, hat jeder eine Meinung zu dem Thema und hält damit auch nicht hinterm Berg.
Ich fand das Ganze sehr interessant, aber um den Hausfrieden zu wahren, wurde dann doch lieber das Thema gewechselt ;)
So, soviel erstmal zu meinem Alltag hier - bald gibts ein Update zum Thema "Arbeit"!
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