Mittwoch, 18. Februar 2015

Cultural Corner

Es sind nicht nur die gewaltigen, offensichtlichen Dinge wie Zeitzone, Sprache, Klima - oft sind es vielmehr die kleinen Dinge, die alltäglichen Eigenartigkeiten, die das Gefühl ausmachen, das wir später "Kulturunterschiede" nennen und doch kaum in Worte fassen können.

weil diese kleinen Dinge meiner Meinung nach mindestens ebenso interessant (wenn nicht sogar manchmal viel interessanter!) sind, möchte ich euch in meinem cultural corner immer wieder die eine oder andere Kleinigkeit vorstellen, die mir hier so auffällt.

Der Telenovela-Hype
Meine Vorgänger-Freiwillige hat offenbar einmal beim Abendessen festgestellt: "Hier nehmen alle irgendwelche Drogen", woraufhin meine Gastoma entsetzt erwiderte: "Pass auf, was du da sagst! In unserem Haus nimmt keiner Drogen!". Daraufhin meinte meine Kollegin anscheinend nur: "Aber natürlich. Oder was ist das mit euren Telenovelas? Das ist doch schon beinahe wie eine Droge!". Als mir diese Anekdote mit einem Schmunzeln erzählt wurde, musste ich zunächst auch noch herzlich lachen. Als ich dann aber zum ersten Mal mitbekommen habe, wie die ganze Familie bis nachts um zwei aufgeblieben ist, weil eine Sonderausstrahlung ihrer Lieblingstelenovela im Programm war und am nächsten Tag wie gerädert herumgelaufen ist und nachdem das abendliche Familienleben ohnehin nach Sendezeiten getaktet ist, verstehe ich langsam den Ernst der Lage.
Es ist nicht nur so, dass einzelne Familien einzelne Telenovelas verfolgen, nein. Vielmehr gibt es bestimmte, die bereits zur Allgemeinbildung zählen und einfach jeder hier kennt.
Von den Protagonisten wird gelernt, mit ihnen gehofft und gebangt und es werden Spekulationen angestellt, wer der Bösewicht sein könnte, die nicht lebendiger sein könnten, wenn sich das ganze Drama im Nachbarhaus abspielen würde.
Nun kann man sagen, dass dies in der Generation meiner Gastgroßeltern nicht verwunderlich ist und das habe ich mir auch versucht einzureden - aber dieser Telenovela-Hype zieht sich durch alle Generationen.
Am Höhepunkt war mein Erstaunen aber, als ich "unsere" Kinder letzte Woche im Computerraum erwischt habe - mucksmäuschenstill saßen sie dort im Dunkeln, was mich misstrauisch gemacht hat (wer "unsere" Kinder kennt, der weiß, wie ungewöhnlich das ist). Doch als ich näherkomme, um zu sehen, was da vor sich geht, traue ich meinen Augen kaum: Ungefähr 10 unserer Jugendlichen (zwischen 12 und 16 Jahren) haben sich in das enge Räumchen gequetscht und schauen gebannt - eine (Jugend-)telenovela!

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