Sonntag, 21. Dezember 2014

erster Quartalsbericht

Hallo ihr Lieben!

Tatsächlich haben wir jetzt bereits den ersten Quartalsbericht für unsere Entsendeorganisation bezev geschrieben - unglaublich, wie die Zeit verfliegt!
Wenn euch der Bericht auch interessiert, hier ist er:
 (wen es nicht interessiert, jetzt bitte nicht weiterlesen! ;) )





Zwischenbilanz                                                                              Cuenca, den 10.12.2014


Ich wache auf, in einem fremden Zimmer.
Ich öffne die Vorhänge und schaue auf eine fremde, lateinamerikanische Stadt.
Ich komme in die Küche zum Frühstück und lächelnde Gesichter begrüßen mich in einer fremden Sprache.
Das waren meine ersten Eindrücke, jeden Tag aufs Neue. Man kann am besten beschreiben, wie es sich anfühlt, ein einem fremden Land zu sein, wenn man auf die kleinen Dinge schaut: Die natürlichsten, alltäglichsten Dinge, die plötzlich anders und neu sind. Das Essen, das Wetter, die Sprache.
Es ist wie großes Geschenk und jeden Tag entdecke ich ein neues Detail, das ich bisher noch nicht wahrgenommen habe.

Meine ersten Wochen hier vergingen wie im Flug und bevor ich mich versah, war ich ein Teil der Familie und habe mit Laura, der anderen deutschen Freiwilligen, die Stadt erkundet. Cuenca ist eine wunderschöne, typisch südamerikanische Stadt. Sie ist mit ihren 277.000 Einwohnern nicht zu groß und nicht zu klein, wirkt in vielen Ecken ein bisschen unordentlich aber liebenswert und man fühlt sich sehr wohl und sicher hier. Natürlich haben wir jede Menge Sicherheitsanweisungen bekommen (die gesamte erste Woche war voll davon: Zuerst in unseren Gastfamilien, dann von unserer Mentorin Patricia, dann von der Direktorin in der Fundación und dann noch von ungefähr jedem, der uns über den Weg gelaufen ist), aber wenn man sich an die hält, lebt man sehr gut hier und da Cuenca viele Einwanderer aus den USA hat, sind die Cuencaner an Ausländer gewöhnt. Was zur Orientierung ziemlich beiträgt, ist auch die Einteilung der Stadt in Cuadras – quadratisch, praktisch, gut!
Der nächste sehr wichtige Faktor beim Einleben in eine fremde Kultur sind natürlich die Menschen mit denen man zusammenlebt. In meinem Fall handelt es sich hierbei um eine ecuadorianische Familie mit sieben Mitgliedern. Der „innere Kern“ besteht aus Mónica, meiner Gastmutter und ihren Eltern, die im zweiten Stock eines Hauses an einer der Hauptstraßen Cuencas wohnen. Unter uns, im ersten Stock wohnt Mónicas Bruder mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn (3 Jahre), der aufgrund der Arbeit seiner Eltern viel Zeit bei seinen Großeltern (also bei uns) verbringt. Das siebte Mitglied der Familie ist Mónicas Tochter, die gerade die Highschool in den USA beendet und mir so großzügigerweise ihr Zimmer (kleines Zimmerchen mit riesen Bett) für ein Jahr überlässt.
Da die Großeltern in Rente sind und eigentlich den ganzen Tag zu Hause bleiben, ist der Familienalltag hier ziemlich ruhig. Ich gehe mit Mónica zur Arbeit, wenn sie nicht gerade später Schicht hat und komme auch meistens mit ihr nach Hause, wo bereits fleißig gekocht wird. Meine ist eine leidenschaftliche und begabte Köchin und da sie ein paar Jahre an der Küste gelebt hat, wird hier viel Fisch, Meeresfrüchte und typische Küsten-gerichte gekocht – super lecker!
Die Abende sind hier an die allabendlichen Telenovelas angepasst, die nicht nur mit Begeisterung verfolgt, sondern auch lebhaft diskutiert und analysiert werden.
Meistens steht für mich und Laura abends auch noch Bailoterapia auf dem Programm, eine Initiative der Gemeinde Cuenca, die den Bewohnern kostenlose Zumba-Stunden in vielen öffentlichen Parks bietet. Für ausreichend Fitness ist also gesorgt – was bei dem leckeren und vielen Essen hier allerdings auch wirklich nötig ist!

Kommen wir nun aber zu dem eigentlichen Grund, warum ich hier bin: Die Arbeit.
Ich arbeite hier in der Fundación El Arenal, einer Einrichtung für Kinder in der Nähe des größten Markts in Cuenca (El Arenal), auf dem die meisten der Mütter unserer Kinder arbeiten. Die Kinder, die meist aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen, benötigen Unterstützung bei den Hausaufgaben und erhalten zwei Malzeiten (Mittagessen und Zwischenmalzeit am Nachmittag) bei uns. Oftmals geht es aber auch einfach nur um einen Platz, wo die Kinder nach der Schule hinkönnen. Ein Platz, der nicht das leere Zuhause ist, wo keiner auf sie aufpassen kann, da die Mutter beim Arbeiten ist. Ein Platz, der nicht die Straße ist, wo viele sich sonst herumtreiben würden und auf Abwege geraten.
Die Kinder sind in zwei Gruppen eingeteilt: Die Kinder, die nachmittags nach der Schule zu uns kommen und die Adolecentes (Jugendlichen), die Vormittags vor dem Colegio (das am Nachmittag stattfindet) in die Fundación kommen.


Für die Freiwilligen gibt es zwei unterschiedliche Arbeitspläne, mit denen wir uns im Wochentakt abwechseln: Der eine hat 37 Stunden, allerdings den Samstag inklusive und der andere hat 39 Stunden, nur unter der Woche. Die Arbeit macht superviel Spaß, trotzdem kann es, besonders in der 39-Stunden-Woche manchmal sehr anstrengend sein.
Laura und ich haben die Workshops unter uns aufgeteilt und mir ist der „kommunikative Workshop“ zugefallen: Hier arbeite ich mit Veronica, einer Lehrerin der Fundación, zusammen und wir üben mit den Kindern Text- und Hörverständnis. Meistens geben wir ihnen ein Beispiel oder eine Vorgabe (hier ist Kreativität und Spontanität gefragt: Puppentheater, Geschichten erzählen, ein Spiel,…), die die Kinder erst wiedergeben und dann in irgendeiner Form kreativ reproduzieren sollen.

Jeder Freitag für die Kinder und jeder Samstag für die Jugendlichen ist ein „día cultural“, an dem Ausflüge (zum Zoo, ins Schwimmbad, in einen Park,…) gemacht oder (einmal im Monat) ein Film angeschaut wird. Diese Ausflüge sind für die Kinder wirkliche Höhepunkte und obwohl es für die Betreuer (3 Lehrer, 2 Freiwillige, 50 Kinder) sehr stressig sein kann, lohnt es sich wirklich!
Im Moment bereiten wir außerdem ein Zeltlager für die Jugendlichen vor, das demnächst stattfinden soll.

Außerhalb der Arbeit hatten Laura und ich bereits viel Zeit, uns das Land anzusehen, und wir sind bereits wirklich herumgekommen: Die Küste, die Hauptstadt (Quito) und ein kleines Dörfchen in der Nähe des Dschungels haben wir bereits gesehen, aber auch hier in Cuenca gibt es einiges zu entdecken: Den Nationalpark Cajas, die umliegenden Dörfer oder natürlich die Stadt selbst, mit ihrem historischen Stadtkern.

Mittlerweile hat auch der Weltwärts-Tag stattgefunden, ein Treffen aller „weltwärts“-Freiwilligen, die sich gerade in Ecuador befinden. Dafür sind wir extra nach Quito gereist und haben das Wochenende dort verbracht. Es war wirklich interessant, die anderen Freiwilligen kennenzulernen und mehr über die Projekte zu erfahren, in denen sie arbeiten. Als ich allerdings dieses Haus voller deutscher Jugendlichen gesehen habe, ist mir erst bewusst geworden, wie sehr ich mich bereits daran gewöhnt habe, mehrheitlich Ecuadorianer um mich zu haben. Als ich auf einmal ein ganzes Wochenende lang fast nur deutsch gesprochen habe, wurde mir klar, wie sehr sich meine Ohren bereits an das Spanisch gewöhnt haben.
Es ist längst nicht mehr alles fremd für mich hier (wenngleich auch immer noch auf eine gewisse Weise neu), mittlerweile fühlt es sich eher wie zuhause an. Jeden Tag ein Bisschen mehr.

Ich wache auf, in meinem Zimmer.
Ich öffne die Vorhänge und schaue auf eine mittlerweile vertraute, lateinamerikanische Stadt.
Ich komme in die Küche zum Frühstück und meine Familie fragt, wie es mir geht (das wir Spanisch sprechen, nehme ich mittlerweile oft gar nicht mehr wahr).
Auf dem Weg zum Bus muss ich lächeln -  ich bin angekommen.


Donnerstag, 4. Dezember 2014

Campamento - Zelten der Sonderklasse

Dieses Wochenende waren wir mit den Jugendlichen der Fundación beim "Campamento" (Zeltlager) in Yunguilla. Es ist schon erstaunlich, dieses Land: Man fährt nur ca. 2h ein Bisschen aus der Sierra raus (Yunguilla liegt im Tal) und schon ist es zwei Jahreszeiten wärmer! Das ist für Urlaub zwar wirklich cool, um Zeltausrüstung, Feuerholz und Töpfe durchs Dickicht zu schleppen, ist die brütende Hitze allerdings suboptimal.
Als dann das Lager endlich aufgeschlagen, das Feuer angefacht und das Essen gekocht war, kam allerdings langsam richtiges Zeltlager-Feeling auf. Man konnte förmlich spüren, wie die Gruppe mit jeder Stunde mehr zusammenwuchs und im Laufe der zwei Tage konnten wir an jedem und jeder Einzelnen noch einmal ganz neue Seiten entdecken.

Endlich was zwischen die Zähne! In der Natur schmeckt alles gleich noch besser...
Zum Beispiel während einer Reflexion, bei der die Jugendlichen über die Arbeit ihrer Mütter gesprochen haben (die meisten Mütter arbeiten auf dem Markt oder ziehen mit ihrem Stand durch die Straßen - beides eine körperlich sehr anstrengende Arbeit) und über die Wertschätzung, die die Jugendlichen ihren Müttern dafür entgegenbringen (oder eben auch nicht). Das ist einer der vielen interessanten Aspekte in der Arbeit mit den Jugendlichen, denn während bei den kleineren die Lebenssituation noch nicht so explizit thematisiert wird, sind sich die Jugendlichen meistens ziemlich genau darüber bewusst, was sie ohne Unterstützung ihrer Familien erwarten würde. Viele wissen bereits, was arbeiten bedeutet, erzählen davon, wie sehr ein Tag auf dem Markt erschöpft und beinahe alle kennen die Straße und ihre Gefahren aus erster Hand.
Das sind die Momente, in denen ich begreife, dass ich die Situation der Jugendlichen nie wirklich verstehen kann, mit einem Hintergrund, der so anders ist als der ihre.
Und im nächsten Augenblick ist der Moment vergangen und sie benehmen sich wieder wie ganz normale Jugendliche, die auf einem Zeltlager endlich mal all ihre Energie rauslassen können.



Und wie jeder, der schon einmal an einem Zeltlager teilgenommen hat, weiß, sind es die Nächte, auf die es ankommt und die am meisten Spaß machen.
Da Laura und ich unter freiem Himmel geschlafen haben, hatte ich das große Glück, jede noch so kleine Regung und jedes Kichern live mitzubekommen und kann euch so einen minutiösen Bericht unserer Nacht liefern:

23:00 Uhr: Nach einer Runde Gruselgeschichten am Lagerfeuer werden die Jugendlichen jetzt langsam ins Bett geschickt.
23:30 Uhr: Natürlich ist noch keiner im Bett.
00:00 Uhr: Marco hat Geburtstag. Wir essen den (leider etwas zerdrückten) Kuchen, den Laura und ich mitgebracht haben.
01:30 Uhr: Nachdem die Jugendlichen es endlich in ihre Zelte geschafft haben, gehen jetzt auch die Betreuer schlafen.
bis 02:00 Uhr: Gekicher aus Zelt 1.
03:30 Uhr: María schleicht sich ins Zelt der Jungs. Sie ist sich sicher, dass sie nicht bemerkt wurde.
04:00 Uhr: María (kreischt): "Juaaaaan! Gib mir meine Haarspange wieder!"
                Juan: "Ich hab deine dumme Spange nicht"
                 María: "Wooo ist meine Spange??"
04:36 Uhr: Gekicher und Geflüster aus Zelt 2.
04:38 Uhr: Es kann jetzt nicht mehr von Geflüster, hier muss von Geschrei geredet werden.
04:45 Uhr: Aus Marcos Zelt dröhnt ein Schrei: "RUHE!!"
- Es herrscht ganze 10 Sekunden Stille -
04:46 Uhr: Das Gekicher geht wieder los.
05:30 Uhr: Die verlorene Haarspange hat urplötzlich enorm an Bedeutung gewonnen und wird lautstark mit allen Mitteln und in allen Zelten gesucht. ("Rückt sofort meine Haarspange raus! Und hey, mein Ohrring fehlt auch!")
06:00 Uhr: Die Gruppe, die fürs Frühstück eingeteilt ist, wird aufgeweckt, um die Töpfe zu spülen. Natürlich wachen auch alle anderen auf.
06:05 Uhr: Mit einem tiefen Seufzer steht Marco auf und tritt aus seinem Zelt.
06:15 Uhr: Einer der Jugendlichen stolpert über meinen Schlafsack und fällt mir fast ins Gesicht.
Ich stehe auf. Die Nacht ist vorbei.