Tatsächlich haben wir jetzt bereits den ersten Quartalsbericht für unsere Entsendeorganisation bezev geschrieben - unglaublich, wie die Zeit verfliegt!
Wenn euch der Bericht auch interessiert, hier ist er:
(wen es nicht interessiert, jetzt bitte nicht weiterlesen! ;) )
Zwischenbilanz Cuenca, den 10.12.2014
Ich wache
auf, in einem fremden Zimmer.
Ich öffne
die Vorhänge und schaue auf eine fremde, lateinamerikanische Stadt.
Ich komme in
die Küche zum Frühstück und lächelnde Gesichter begrüßen mich in einer fremden
Sprache.
Das waren
meine ersten Eindrücke, jeden Tag aufs Neue. Man kann am besten beschreiben,
wie es sich anfühlt, ein einem fremden Land zu sein, wenn man auf die kleinen
Dinge schaut: Die natürlichsten, alltäglichsten Dinge, die plötzlich anders und
neu sind. Das Essen, das Wetter, die Sprache.
Es ist wie
großes Geschenk und jeden Tag entdecke ich ein neues Detail, das ich bisher
noch nicht wahrgenommen habe.
Meine ersten
Wochen hier vergingen wie im Flug und bevor ich mich versah, war ich ein Teil
der Familie und habe mit Laura, der anderen deutschen Freiwilligen, die Stadt
erkundet. Cuenca ist eine wunderschöne, typisch südamerikanische Stadt. Sie ist
mit ihren 277.000 Einwohnern nicht zu groß und nicht zu klein, wirkt in vielen
Ecken ein bisschen unordentlich aber liebenswert und man fühlt sich sehr wohl
und sicher hier. Natürlich haben wir jede Menge Sicherheitsanweisungen bekommen
(die gesamte erste Woche war voll davon: Zuerst in unseren Gastfamilien, dann
von unserer Mentorin Patricia, dann von der Direktorin in der Fundación und
dann noch von ungefähr jedem, der uns über den Weg gelaufen ist), aber wenn man
sich an die hält, lebt man sehr gut hier und da Cuenca viele Einwanderer aus
den USA hat, sind die Cuencaner an Ausländer gewöhnt. Was zur Orientierung
ziemlich beiträgt, ist auch die Einteilung der Stadt in Cuadras – quadratisch, praktisch, gut!
Der nächste
sehr wichtige Faktor beim Einleben in eine fremde Kultur sind natürlich die
Menschen mit denen man zusammenlebt. In meinem Fall handelt es sich hierbei um
eine ecuadorianische Familie mit sieben Mitgliedern. Der „innere Kern“ besteht
aus Mónica, meiner Gastmutter und ihren Eltern, die im zweiten Stock eines
Hauses an einer der Hauptstraßen Cuencas wohnen. Unter uns, im ersten Stock
wohnt Mónicas Bruder mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn (3 Jahre), der
aufgrund der Arbeit seiner Eltern viel Zeit bei seinen Großeltern (also bei
uns) verbringt. Das siebte Mitglied der Familie ist Mónicas Tochter, die gerade
die Highschool in den USA beendet und mir so großzügigerweise ihr Zimmer
(kleines Zimmerchen mit riesen Bett) für ein Jahr überlässt.
Da die
Großeltern in Rente sind und eigentlich den ganzen Tag zu Hause bleiben, ist
der Familienalltag hier ziemlich ruhig. Ich gehe mit Mónica zur Arbeit, wenn
sie nicht gerade später Schicht hat und komme auch meistens mit ihr nach Hause,
wo bereits fleißig gekocht wird. Meine ist eine leidenschaftliche und begabte
Köchin und da sie ein paar Jahre an der Küste gelebt hat, wird hier viel Fisch,
Meeresfrüchte und typische Küsten-gerichte gekocht – super lecker!
Die Abende
sind hier an die allabendlichen Telenovelas angepasst, die nicht nur mit
Begeisterung verfolgt, sondern auch lebhaft diskutiert und analysiert werden.
Meistens
steht für mich und Laura abends auch noch Bailoterapia
auf dem Programm, eine Initiative der Gemeinde Cuenca, die den Bewohnern
kostenlose Zumba-Stunden in vielen öffentlichen Parks bietet. Für ausreichend
Fitness ist also gesorgt – was bei dem leckeren und vielen Essen hier
allerdings auch wirklich nötig ist!
Kommen wir nun aber zu dem
eigentlichen Grund, warum ich hier bin: Die Arbeit.
Ich arbeite
hier in der Fundación El Arenal,
einer Einrichtung für Kinder in der Nähe des größten Markts in Cuenca (El
Arenal), auf dem die meisten der Mütter unserer Kinder arbeiten. Die Kinder,
die meist aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen, benötigen
Unterstützung bei den Hausaufgaben und erhalten zwei Malzeiten (Mittagessen und
Zwischenmalzeit am Nachmittag) bei uns. Oftmals geht es aber auch einfach nur
um einen Platz, wo die Kinder nach der Schule hinkönnen. Ein Platz, der nicht
das leere Zuhause ist, wo keiner auf sie aufpassen kann, da die Mutter beim
Arbeiten ist. Ein Platz, der nicht die Straße ist, wo viele sich sonst
herumtreiben würden und auf Abwege geraten.
Die Kinder
sind in zwei Gruppen eingeteilt: Die Kinder, die nachmittags nach der Schule zu
uns kommen und die Adolecentes
(Jugendlichen), die Vormittags vor dem Colegio (das am Nachmittag stattfindet)
in die Fundación kommen.
Für die Freiwilligen gibt es zwei unterschiedliche Arbeitspläne, mit denen wir uns im Wochentakt abwechseln: Der eine hat 37 Stunden, allerdings den Samstag inklusive und der andere hat 39 Stunden, nur unter der Woche. Die Arbeit macht superviel Spaß, trotzdem kann es, besonders in der 39-Stunden-Woche manchmal sehr anstrengend sein.
Laura und
ich haben die Workshops unter uns aufgeteilt und mir ist der „kommunikative
Workshop“ zugefallen: Hier arbeite ich mit Veronica, einer Lehrerin der
Fundación, zusammen und wir üben mit den Kindern Text- und Hörverständnis.
Meistens geben wir ihnen ein Beispiel oder eine Vorgabe (hier ist Kreativität
und Spontanität gefragt: Puppentheater, Geschichten erzählen, ein Spiel,…), die
die Kinder erst wiedergeben und dann in irgendeiner Form kreativ reproduzieren
sollen.
Jeder
Freitag für die Kinder und jeder Samstag für die Jugendlichen ist ein „día cultural“, an dem Ausflüge (zum
Zoo, ins Schwimmbad, in einen Park,…) gemacht oder (einmal im Monat) ein Film
angeschaut wird. Diese Ausflüge sind für die Kinder wirkliche Höhepunkte und
obwohl es für die Betreuer (3 Lehrer, 2 Freiwillige, 50 Kinder) sehr stressig
sein kann, lohnt es sich wirklich!
Im Moment
bereiten wir außerdem ein Zeltlager für die Jugendlichen vor, das demnächst
stattfinden soll.
Außerhalb
der Arbeit hatten Laura und ich bereits viel Zeit, uns das Land anzusehen, und
wir sind bereits wirklich herumgekommen: Die Küste, die Hauptstadt (Quito) und
ein kleines Dörfchen in der Nähe des Dschungels haben wir bereits gesehen, aber
auch hier in Cuenca gibt es einiges zu entdecken: Den Nationalpark Cajas, die umliegenden
Dörfer oder natürlich die Stadt selbst, mit ihrem historischen Stadtkern.
Mittlerweile
hat auch der Weltwärts-Tag stattgefunden, ein Treffen aller „weltwärts“-Freiwilligen,
die sich gerade in Ecuador befinden. Dafür sind wir extra nach Quito gereist und
haben das Wochenende dort verbracht. Es war wirklich interessant, die anderen
Freiwilligen kennenzulernen und mehr über die Projekte zu erfahren, in denen
sie arbeiten. Als ich allerdings dieses Haus voller deutscher Jugendlichen
gesehen habe, ist mir erst bewusst geworden, wie sehr ich mich bereits daran
gewöhnt habe, mehrheitlich Ecuadorianer um mich zu haben. Als ich auf einmal
ein ganzes Wochenende lang fast nur deutsch gesprochen habe, wurde mir klar,
wie sehr sich meine Ohren bereits an das Spanisch gewöhnt haben.
Es ist
längst nicht mehr alles fremd für mich hier (wenngleich auch immer noch auf
eine gewisse Weise neu), mittlerweile fühlt es sich eher wie zuhause an. Jeden Tag ein Bisschen mehr.
Ich wache
auf, in meinem Zimmer.
Ich öffne
die Vorhänge und schaue auf eine mittlerweile vertraute, lateinamerikanische Stadt.
Ich komme in
die Küche zum Frühstück und meine Familie
fragt, wie es mir geht (das wir Spanisch sprechen, nehme ich mittlerweile oft
gar nicht mehr wahr).
Auf dem Weg
zum Bus muss ich lächeln - ich bin
angekommen.